Donnerstag, 29. Juli 2010
Über Lorca nach Villamajor de Monjardin
Bei wolkenlosem Himmel und strahlendem Sonnenschein verließen wir gegen 7:30 die Herberge von Uterga. Der Weg führte uns auf schmalen Pfaden abseits jeglicher Zivilisation, vorbei an Felder und Weiden nach Obanos. Die tief stehende Morgensonne ließ die Landschaft um uns in einem goldgelben Licht erscheinen. Die Sonne stand uns im Rücken und unsere Schatten eilten uns voraus. Es machte richtig Spaß zu laufen und die Schönheit der Landschaft auf sich einwirken zu lassen.
Nach ca. 2 Stunden erreichten wir Puente la Reina. Als Erstes suchten wir ein Postamt auf, da sich Sandy entschlossen hatte, ihre Ersatz-Schuhe und einen Pullover nach Hause zu schicken, aus Gründen der Gewichtsreduzierung ihres Rucksacks. Anschließend deckten wir uns mit ein paar Lebensmittel für den heutigen Tag ein und pausierten unter der alten Pilgerbrücke von Puente la Reina.

Beim Überqueren der Brücke übersah ich einen Betonpoller, der eigentlich dafür vorgesehen war, vierrädrige Fahrzeuge an der Durchfahrt zu hindern, und schlug mir mein Schienbein blutig.
Sandy, die hinter mir ging und mein Missgeschick beobachtet hatte, bekam daraufhin einen derartigen Lachanfall, dass ich mir ernsthafte Gedanken wegen ihrer Gesundheit machte.

Hinter Puente la Reina führte uns der Weg zunächst auf relativ ebenen Wegen Richtung Maneru. Kurz vor Maneru stand mir wieder ein kurzer steiler Anstieg bevor, der mich kräftig ins Schwitzen brachte, zumal die Sonne auch ihren Teil dazu bei tat und das Thermometer auf gute 25° ansteigen ließ.
Vorbei an den ersten Weinfelder der Weinbau Region Rioja ging es weiter nach Cirauqui. Wo sollte der Ort auch anders liegen?; Natürlich auf einem Berg.
Gepeinigt von der Mittagssonne lechzte ich nach einer eiskalten Cola. Ich quälte mich durch die steilen engen Gassen des Dorfes hinauf zur Kirche San Román, an der der Jakobsweg unmittelbar vorbeiführte. Als ich den Rathausplatz erreichte, saßen Sandy und Christian vor einer kleinen Bäckerei und warteten auf mich. Und was stand für mich auf dem Tisch bereit?
„Eine eiskalte Flasche Cola“.

Danke ihr Lieben!

Nachdem wir eine halbe Stunde pausiert hatten, ging es die letzten steilen Meter hinauf zur Kirche. Im Eingang des Kirchturms stand ein kleines Pult mit einem Stempel und Stempelkissen bereit. Wir versahen unsere Credenziale mit einem weiteren Stempel und setzten unseren Weg fort.
Steil bergab ging es zunächst vorbei an Zypressen und über eine noch von den Römern erbaute einbogige Brücke. Anschließend überquerten wir die Autobahn, bevor der Weg über die tausendjährige römische Handelsstraße, die in jedem Reiseführer genannt wird, uns Richtung Estella führte.


Der Marsch über jene besagte Handelsstraße war sehr kraft aufwendig. Auf Grund ihres Alters war sie in einem so miserablen Zustand, dass man höllisch Acht geben musste, sich nicht die Fußgelenke zu verletzen. Nach 7,5 Stunden und zurückgelegten 20 km erreichten wir am Nachmittag Lorca.

In einer privaten Herberge, zu der auch eine Gaststätte gehörte, machten wir Halt und entschlossen uns hier zu nächtigen.
Man brachte uns in einem 8-Bettzimmer unter, in dem bereits ein Student aus Deutschland sein Lager aufgeschlagen hatte. Erfreut über unsere Anwesenheit quatschte er uns so die Ohren voll, dass ich Reißaus nahm und mir einen ruhigen Platz auf der Dachterrasse suchte. Kurze Zeit später erschien auch Christian auf der Terrasse. Ihm war das Gelaber ebenfalls auf den Senkel gegangen und war geflüchtet. Er gesellte sich zu mir und Alexander aus Wien, der auch in unserer Herberge ein Quartier gefunden hatte. Er war ebenfalls vor 3 österreichischen Pilgern auf der Flucht, die in der Herberge gegenüber nächtigten.

Heute war wohl die halbe Pilgerschaft vor irgendwelchen Mitpilgern auf der Flucht!

Während wir am folgenden Morgen beim Frühstück saßen, humpelte die deutsche Labertasche auf uns zu. Wir verdrehten die Augen und waren gespannt mit welcher Story er uns nun beglückte.
Er erzählte uns brühwarm, dass er in der vergangenen Nacht eine junge Französin aus lauter Mitgefühl mit zu sich in seinen Schlafsack genommen hatte, da die Arme ihren moralischen hatte und sich verlassen und alleine fühlte.........??
Mir war die Arme allerdings am vorherigen Nachmittag schon aufgefallen. Meines Erachtens hatte sie bereits zu dieser Zeit schon etwas zu tief in ihr Weinglas geschaut.

Für sein vorbildliches samariterhaftes Verhalten gegenüber einer weiblichen Mitpilgerin hätte man ihm eine goldene Jakobsmuschel in Form einer Anstecknadel verleihen müssen!

Gegen 8:00 verließen wir die Herberge und machten uns bei leicht bewölktem Himmel auf den Weg über Villatuerta nach Estella. Der Weg führte uns mal wieder abseits der Zivilisation durch eine herrliche Grünlandschaft.
In Estella legten wir eine größere Pause ein, stärkten uns mit einem zweiten Frühstück, bevor es weiterging zum Kloster Irache.
Am Weinbrunnen der hiesigen Weinkellerei genehmigten wir uns gegen Mittag ein Glas bzw. einen Becher Rotwein, der bekannterweise gratis aus einem Hahn fließt und tranken auf unsere ersten 100 zurückgelegten Kilometer. Anschließend stand eine kurze Besichtigung der Klosteranlage im Raum.
Als wir die Eingangshalle des Klosters betraten, stand links neben der Pforte hinter einem Pult ein älterer Herr, gekleidet in einem grauen Kittel, schwarzer Hose, einem schwarzen hochgeschlossenen Pullover und einem weißen Hemd. In der Annahme, dass es sich hier um einen der Patres handelte, schritten wir ehrfürchtig auf ihn zu und baten um einen Stempel in unser Credenzial.
Nachdem wir jenen erhalten hatten, verschwand er in einem angrenzenden Raum, der sich hinter dem Pult befand und kehrte kurze Zeit später wieder zurück. Allerdings ohne seinen Kittel.
Erstaunt klebte mein Blick auf seien Pullover. Ein süßes Lacoste- Krokodilchen schmückte seine Brust.

Na ja, die Mode der Neuzeit macht auch vor den Pforten eines Klosters nicht halt!

Weiter ging es auf steinigem Weg vorbei an Weiden und Wälder leicht bergauf und bergab Azqueta entgegen. Der kurze Anstieg nach Azqueta ließ mich wieder einiges an Kraft kosten. Sandy und Christian entfernten sich zusehends, da ich mal wieder nicht aus den Socken kam. Als auch ich endlich den Ortsrand erreicht hatte, saßen beide auf einer Bank und warteten mal wieder auf mich.


Sie hatten bereits unseren Reiseführer studiert und teilten mir mit, dass es bis nach Villamajor de Monjardin, wo sich die nächste Herberge befand, noch knappe 3 km zu laufen wäre. Ich schlug vor, dass sie sich schleunigst auf die Socken machen sollten, um noch 3 Schlafplätze für uns zu ergattern, da die Herberge lediglich über 28 Betten verfügte. Gesagt, getan, die Beiden brachen auf, während ich noch eine Viertelstunde pausierte. Der Weg führte nun stetig bergauf, vorbei an einem 1000-jährigen maurischem Brunnen, dem ich aber wenig Beachtung schenkte, da ich möglichst schnell mein Ziel erreichen wollte.
Als ich Villamajor erreichte, wartete Christian bereits am Ortseingang auf mich.
Die Herberge war noch geschlossen und öffnete ihre Pforte erst in einer Stunde. Allerdings standen schon so viele Rucksäcke vor der Pforte wie Schlafplätze zur Verfügung standen.
„Das sind ja rosige Aussichten“, bemerkte ich missmutig.
Als Alternative stand in der einzigen Kneipe im Ort ein Matratzenlager zur Verfügung oder noch weitere 12 km bis Los Arcos zu laufen.
Mit dem Gedanken nochmals 12 km dranzuhängen, konnte ich mich allerdings überhaupt nicht anfreunden, da ich schon meine 20 km hinter mich gebracht hatte und es mir für heute reichte.

Allerdings die kommende Nacht auf einem Matratzenlager zu verbringen, womöglich noch mit Krabbeltierchen als Untermieter, dazu hatten wir auch keine große Lust.
Während unser Gedanken zwischen Krabbeltierchen und Los Arcos hin und her pendelten, öffnete sich die Herbergstür und der Hospitalero bat alle Pilger ins Haus. Innerhalb weniger Minuten waren alle Schlafplätze belegt.
Sandy und Christian wurden im Nebenhaus der Herberge in einem 5- Bettzimmer mit eigener Dachterrasse untergebracht. Da in ihrem Zimmer noch 3 Betten nicht belegt waren, machte sich Christian sofort auf die Suche nach mir. Ich warf ihm meinen Schlafsack entgegen, forderte ihn auf, umgehend ein weiteres Bett zu belegen, packte meine restlichen Sachen und ab ins Nebenhaus.


Herrlich! Das Zimmer war zwar klein, hatte aber eine eigene Toilette mit Waschbecken und wie gesagt eine geräumige Dachterrasse hoch über den Dächern von Villamajor mit einer einmaligen Fernsicht.

Danke Köbes!

Kurze Zeit später zogen noch Manisch und Patrick bei uns ein. Manisch war gebürtiger Afghane lebte in Aachen und war mit seinem Freund Patrick aus Hagen unterwegs.
Nachdem ich mein obligatorisches Schläfchen gehalten hatte, verbrachte ich den Rest des Tages bis zum gemeinsamen Abendessen in der Herberge, auf unserer Sonnenterrasse.
Die Herberge wurde von einem holländischem Ehepaar und einer Dänin geführt. Hier bekam ich das mit Abstand geschmackvollste Gericht serviert, das ich auf meiner Pilgerreise zu mir genommen hatte.
Als Vorspeise servierte man uns einen Salatteller, das Hauptgericht bestand aus einem kräftigen Hackbraten mit leicht angerösteten Kartoffelscheiben und einer gut gewürzten Sauce. Als Dessert gab es einen Schokoladenpudding, den ich Sandy spendierte, da sie heute leicht knatschig war, weil sie noch keine Schokolade zu sich genommen hatte.
Nach dem Essen ging es noch für einen Espresso in das angrenzende
Restaurant, wo ich Schokoladen-Harry - ebenfalls ein Pilger aus Baden Württemberg - kennenlernte. Auf ihn werde ich zu einem späteren Zeitpunkt zurückkommen.

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