Mittwoch, 15. September 2010
Die Heimreise
h.albu, 21:37h
Bereits um kurz nach 6:00 Uhr kroch ich aus meinem Schlafsack und packte meine Sachen. Wir frühstückten eine Kleinigkeit, bevor es um 7:15 Uhr hieß, von Christian und Sandy Abschied zu nehmen.
Ich begleitete sie bis vor die Pforte der Herberge und wünschte ihnen alles Gute für den Rest ihrer Pilgerreise. Mein Blick folgte ihnen, bis dass sie hinter der nächsten Straßenbiegung verschwunden waren.
Wie gerne wäre ich jetzt mit ihnen weitergelaufen!
Zurück in der Herberge holte ich meinen Rucksack, ging in die Küche und zog mir einen letzten Espresso. Am Kaffeeautomaten begegnete mir die Pilgerin aus Bayern, die am 2. Tag meiner Pilgerreise in der Herberge von Roncesvalles kurz vor Toressschluss das noch letzte freie Bett über mir ergattert hatte. Wir wechselten ein paar kurze nette Worte, wünschten uns gegenseitig alles Gute für die Zukunft, ich schnappte mir meinen Rucksack und trat hinaus auf die Straße.
Gegenüber der Herberge befand sich ein kleiner Platz mit mehreren Sitzbänken. Ich nahm auf einer von ihnen Platz, holte mein Päckchen Tabak aus der Tasche, das ich mir übrigens vor meiner Abreise in Deutschland noch gekauft hatte und drehte mir eine Zigarette. In Gedanken versunken beobachtete ich, wie sich die Herberge langsam leerte. Manche verließen das Haus mit ernster Miene, andere wiederum mit strahlenden, lachenden Gesichtern, bereit für die nächste Etappe.
Jetzt gehörte ich nicht mehr zu ihnen. Schade! Ich werde im nächsten Jahr wiederkommen, und meine Reise hier fortsetzen!
Nachdem die Hospitaliera den letzten Pilger verabschiedet und die Pforte hinter sich geschlossen hatte, erhob ich mich, schnallte mir meinen Rucksack auf und machte mich ohne Eile auf den Weg zur Bushaltestelle. In einer knappen Stunde würde mein Bus kommen, der mich nach Bilbao bringen würde. An der Haltestelle traf ich auf eine junge Deutsche, die vor zwei Tagen mit ihrem Freund gestartet war und sich ihre Füße schon so kaputt gelaufen hatte, dass sie ihrem Freund nun mit dem Bus folgen musste.
Die Füße einzucremen ist das oberste Gebot eines Pilgers, der die Reise zu Fuß antritt. Ich habe mir in den ganzem 14 Tagen keine einzige Blase gelaufen. Jeden Morgen und nach dem Duschen cremte ich mir meine Füße dick mit Hirschtalg ein. Meine Socken lagen nicht, sie standen nachts neben meinen Schuhen, Fett durchtränkt. Und gerochen haben sie auch nicht!
Gegen Mittag erreichte ich Bilbao. Ich löste eine weitere Busfahrkarte für die Fahrt zum spanisch französischen Grenzbahnhof Hendaya und machte mich auf die Suche nach einer Unterkunft. Eine viertel Stunde Fußmarsch vom Bus-Terminal entfernt, fand ich ein Hotel und buchte mich ein.
Es war schon etwas eigenartig im ersten Augenblick. Ein eigenes Zimmer, kein Schlafsaal, kein Schlafsack, in den ich kriechen musste, ein eigenes Bett, ein eigenes Bad. 14 Tage lang hatte ich dies alles mit anderen teilen müssen und keine Privatsphäre gehabt.
Und jetzt..... befand ich mich plötzlich wieder in der realen Welt. Ich hatte alle Annehmlichkeiten, die das moderne Leben einem bot.
Ich sprang unter die Dusche, legte mich ins Bett und schlief bis zum frühen Abend. In der Hotelbar aß ich eine Kleinigkeit, machte noch einen kleinen Spaziergang und deckte mich mit ein paar Nahrungsmittel für meine Weiterreise ein.
Gelangweilt lag ich auf dem Bett und wusste plötzlich nichts mit mir anzufangen. Mit meiner Frau hatte ich schon telefoniert, ihr mitgeteilt, dass ich mich bereits auf der Rückreise befände, meine Tagebucheinträge waren ebenfalls schon geschrieben. Und jetzt???
Der TV lieferte nur spanische Sender. Von dem Kauderwelsch der Moderatoren verstand ich kein Wort und die Suche nach einem Porno-Kanal blieb ebenfalls ergebnislos.
Toller Abend!
Ich löschte das Licht und versuchte in den Schlaf zu gelangen. Kurz vor dem Einschlafen erhielt ich von Christian und Sandy noch eine SMS. Sie wünschten mir eine gute Nacht und eine angenehme Heimreise.
Sie hatten mich noch nicht vergessen und latschte in ihren Gedanken wohl immer noch hinter ihnen her.
Ein Fernbus brachte mich am folgenden Morgen zum spanisch-französischen Grenzort Hendaya. Hier waren 9 Stunden Zeit zu überbrücken, bevor es mit dem Nachtzug nach Paris weiter ging.
Die Zeit nutzte ich für eine Stadtbesichtigung, trank hier einen Espresso und nahm in einem anderem Bistro einen Bissen zu mir.
Gegen Abend traf ich wieder im Bahnhof ein.
Ich kam mit einem älteren Ehepaar aus Holland ins Gespräch, die mit ihren Fahrrädern von ihrem Wohnort aus nach Santiago gefahren waren und sich nun auf dem Heimweg befanden. Er meinte grinsend, dass sie nun etwas schummelten und den Nachtzug nach Paris nehmen würden, aber von dort aus den Rest der Strecke bis in ihre Heimatstadt wieder auf ihren Fahrräder zurücklegen würden.
Kompliment den Beiden. Eine tolle Leistung!
Es gesellte sich noch eine Frau mittleren Alters aus Chile zu uns, die ebenfalls aus Santiago kam und voller Stolz uns ihre Compostella präsentierte. Auch sie hatte ab Saint Jean Pied die ganze Strecke bis Santiago zu Fuß hinter sich gebracht.
Die Eingangstür der Bahnhofhalle öffnete sich und ein Herr in meinem Alter betrat die Halle. Sein Rucksack schmückte eine große grüne Kaufhoftüte in der meines Erachtens eine Isomatte verpackt war.
„Kaufhoftüte....“?, das konnte doch nur ein Deutscher sein.
Gezielt ging ich auf ihn zu und sprach ihn in unserer Muttersprache an.
Bingo!
Sein Gesicht erhellte sich, erfreut, hier auf einen Landsmann zu stoßen war er zugleich gesprächsbereit. Auch er befand sich auf dem Heimweg seiner Pilgerreise. Allerdings hatte er die Nord-Route den Camino-Primitivo gewählt und berichtete angetan von einsamen Pfaden und abgelegenen Klöstern. Voller Faszination schilderte er mir, wie er eines Abends an der Pforte eines kleinen Klosters geläutet, um ein Nachtlager gebeten hatte und von den Mönchen herzlich aufgenommen wurde.
Naja, jedem das seine!
Ich für meine Person hätte lieber ein Zimmerchen in einem Nonnenkloster bezogen und mein müdes Haupt in das Kopfkissen eines Nonnenbettchens gebettet.
Die letzten Stunden bis zur Abfahrt zogen sich wie Gummi. Der Zug, der mich nach Paris brachte, wurde eine Stunde vor Abfahrt auf einem Nebengleis abgestellt.
Das gleiche Prozedere wie bei der Hinfahrt, die Fahrscheinkontrolle wurde bereits auf dem Bahnsteig vollzogen.
Ich bezog als erster das Abteil eines Liegewagens mit 6 Schlafplätzen, machte es mir bequem im Mitteldeck und wartete gespannt auf die übrigen Fahrgäste, mit denen ich die kommende Nacht das Abteil teilen würde. Von Seiten meiner soeben beendeten Pilgerreise war ich ja schon einiges gewöhnt.
Der Waggon füllte sich in kürzester Zeit und dann füllte sich mit einem Schlag mein Abteil. Zwei spanische Mütter mit drei Kindern im Alter zwischen 6 und 10 Jahren. Alle 5 starrten mich an, als wäre ich ein Außerirdischer.
So schlimm sah ich doch gar nicht aus. Ich hatte heute Morgen frisch geduscht, war rasiert, gekämmt und hatte saubere Klamotten an.
Also was sollte der Scheiß!
Ich grüßte kurz mit einem „Hello“, schloss die Augen und mimte den Schlafenden. Die eine Mutter bekam zugleich einen Lachanfall und verzog sich sofort in das Bett unter mir. Die andere versuchte fast eine ganze Stunde lang die Horde in den Griff zu kriegen, sie zum schlafen zu bewegen und Rücksicht auf den Senior zu nehmen, der mit ihnen das Abteil teilte. Es wurde gekichert und geflüstert. Obwohl ich kein Wort verstand, amüsierte ich mich innerlich und musste mir gelegentlich das Lachen verkneifen.
Nach einer Stunde kehrte weitgehend Ruhe ein, bis auf den 6 jährigen Jungen, der immer noch die Puppen tanzen ließ. Nachdem ihn seine Mutter zum x-ten Male zur Ruhe ermahnt hatte und er immer noch herum feixte, zog die Mutter die Notbremse.
Er erhielt eine schallende Ohrfeige, die in den Abteilen rechts und links neben uns noch sehr gut zu hören war.
Schlagartig war für einen kurzen Augenblick Ruhe im Abteil, bevor das Gefeixe des Jungen in ein leises Wimmern überging.
Wie die meisten Mütter halt so sind, bekam sie ein schlechtes Gewissen, da sie wohl etwas zu viel Schlagkraft in die Ohrfeige gesteckt hatte, stieg zu ihrem Sohn ins Bett und begann ihn zu trösten. Mit Sicherheit versprach sie ihm, morgen ein überdimensional großes Auto zu kaufen.
Kurze Zeit später fiel ich in meinen ersehnten Schlaf.
Gegen 7:00 Uhr erreichte ich den Bahnhof Paris-Austerlitz. Auf dem Bahnsteig stolperte ich nochmals über die „Kaufhoftüte“, wir wechselten noch ein paar kurze Worte bis sich unser Weg endgültig trennte. In 3 Stunden fuhr mein Zug ab Bahnhof Paris-Nord nach Köln. Meine handgefertigte Skizze, die mich vor zwei Wochen sicher vom Bahnhof Nord zum Bahnhof Austerlitz geführt hatte, hatte ich natürlich fortgeschmissen. Ich verlief mich prompt und landete am Bahnhof Ost. Zu meinem Glück waren beide Bahnhöfe nicht weit von einander entfernt, so dass ich nach einem weiteren 20 minütigem Fußmarsch den Bahnhof Paris-Nord erreichte.
Bis zur Weiterfahrt nach Köln blieb mir noch eine knappe Stunde. Auf der Terrasse eines Straßencafés trank ich noch einen Espresso und rauchte eine selbst Gedrehte. Während ich in Gedanken versunken auf das Eingangsportal schaute, das hektische Treiben der Passanten, Reisenden, der Lärm des Großstadtverkehr beobachtete, wurde mir unvermittelt bewusst: Meine Pilgerreise war nun endgültig zum Ende gekommen. Ich zahlte, schnallte ein letztes Mal meinen Rucksack auf und betrat die Bahnhofshalle.
Jetzt freute ich mich, meine Frau wieder in die Arme nehmen zu können und auf das Wiedersehen mit meiner Familie.
Ich begleitete sie bis vor die Pforte der Herberge und wünschte ihnen alles Gute für den Rest ihrer Pilgerreise. Mein Blick folgte ihnen, bis dass sie hinter der nächsten Straßenbiegung verschwunden waren.
Wie gerne wäre ich jetzt mit ihnen weitergelaufen!
Zurück in der Herberge holte ich meinen Rucksack, ging in die Küche und zog mir einen letzten Espresso. Am Kaffeeautomaten begegnete mir die Pilgerin aus Bayern, die am 2. Tag meiner Pilgerreise in der Herberge von Roncesvalles kurz vor Toressschluss das noch letzte freie Bett über mir ergattert hatte. Wir wechselten ein paar kurze nette Worte, wünschten uns gegenseitig alles Gute für die Zukunft, ich schnappte mir meinen Rucksack und trat hinaus auf die Straße.
Gegenüber der Herberge befand sich ein kleiner Platz mit mehreren Sitzbänken. Ich nahm auf einer von ihnen Platz, holte mein Päckchen Tabak aus der Tasche, das ich mir übrigens vor meiner Abreise in Deutschland noch gekauft hatte und drehte mir eine Zigarette. In Gedanken versunken beobachtete ich, wie sich die Herberge langsam leerte. Manche verließen das Haus mit ernster Miene, andere wiederum mit strahlenden, lachenden Gesichtern, bereit für die nächste Etappe.
Jetzt gehörte ich nicht mehr zu ihnen. Schade! Ich werde im nächsten Jahr wiederkommen, und meine Reise hier fortsetzen!
Nachdem die Hospitaliera den letzten Pilger verabschiedet und die Pforte hinter sich geschlossen hatte, erhob ich mich, schnallte mir meinen Rucksack auf und machte mich ohne Eile auf den Weg zur Bushaltestelle. In einer knappen Stunde würde mein Bus kommen, der mich nach Bilbao bringen würde. An der Haltestelle traf ich auf eine junge Deutsche, die vor zwei Tagen mit ihrem Freund gestartet war und sich ihre Füße schon so kaputt gelaufen hatte, dass sie ihrem Freund nun mit dem Bus folgen musste.
Die Füße einzucremen ist das oberste Gebot eines Pilgers, der die Reise zu Fuß antritt. Ich habe mir in den ganzem 14 Tagen keine einzige Blase gelaufen. Jeden Morgen und nach dem Duschen cremte ich mir meine Füße dick mit Hirschtalg ein. Meine Socken lagen nicht, sie standen nachts neben meinen Schuhen, Fett durchtränkt. Und gerochen haben sie auch nicht!
Gegen Mittag erreichte ich Bilbao. Ich löste eine weitere Busfahrkarte für die Fahrt zum spanisch französischen Grenzbahnhof Hendaya und machte mich auf die Suche nach einer Unterkunft. Eine viertel Stunde Fußmarsch vom Bus-Terminal entfernt, fand ich ein Hotel und buchte mich ein.
Es war schon etwas eigenartig im ersten Augenblick. Ein eigenes Zimmer, kein Schlafsaal, kein Schlafsack, in den ich kriechen musste, ein eigenes Bett, ein eigenes Bad. 14 Tage lang hatte ich dies alles mit anderen teilen müssen und keine Privatsphäre gehabt.
Und jetzt..... befand ich mich plötzlich wieder in der realen Welt. Ich hatte alle Annehmlichkeiten, die das moderne Leben einem bot.
Ich sprang unter die Dusche, legte mich ins Bett und schlief bis zum frühen Abend. In der Hotelbar aß ich eine Kleinigkeit, machte noch einen kleinen Spaziergang und deckte mich mit ein paar Nahrungsmittel für meine Weiterreise ein.
Gelangweilt lag ich auf dem Bett und wusste plötzlich nichts mit mir anzufangen. Mit meiner Frau hatte ich schon telefoniert, ihr mitgeteilt, dass ich mich bereits auf der Rückreise befände, meine Tagebucheinträge waren ebenfalls schon geschrieben. Und jetzt???
Der TV lieferte nur spanische Sender. Von dem Kauderwelsch der Moderatoren verstand ich kein Wort und die Suche nach einem Porno-Kanal blieb ebenfalls ergebnislos.
Toller Abend!
Ich löschte das Licht und versuchte in den Schlaf zu gelangen. Kurz vor dem Einschlafen erhielt ich von Christian und Sandy noch eine SMS. Sie wünschten mir eine gute Nacht und eine angenehme Heimreise.
Sie hatten mich noch nicht vergessen und latschte in ihren Gedanken wohl immer noch hinter ihnen her.
Ein Fernbus brachte mich am folgenden Morgen zum spanisch-französischen Grenzort Hendaya. Hier waren 9 Stunden Zeit zu überbrücken, bevor es mit dem Nachtzug nach Paris weiter ging.
Die Zeit nutzte ich für eine Stadtbesichtigung, trank hier einen Espresso und nahm in einem anderem Bistro einen Bissen zu mir.
Gegen Abend traf ich wieder im Bahnhof ein.
Ich kam mit einem älteren Ehepaar aus Holland ins Gespräch, die mit ihren Fahrrädern von ihrem Wohnort aus nach Santiago gefahren waren und sich nun auf dem Heimweg befanden. Er meinte grinsend, dass sie nun etwas schummelten und den Nachtzug nach Paris nehmen würden, aber von dort aus den Rest der Strecke bis in ihre Heimatstadt wieder auf ihren Fahrräder zurücklegen würden.
Kompliment den Beiden. Eine tolle Leistung!
Es gesellte sich noch eine Frau mittleren Alters aus Chile zu uns, die ebenfalls aus Santiago kam und voller Stolz uns ihre Compostella präsentierte. Auch sie hatte ab Saint Jean Pied die ganze Strecke bis Santiago zu Fuß hinter sich gebracht.
Die Eingangstür der Bahnhofhalle öffnete sich und ein Herr in meinem Alter betrat die Halle. Sein Rucksack schmückte eine große grüne Kaufhoftüte in der meines Erachtens eine Isomatte verpackt war.
„Kaufhoftüte....“?, das konnte doch nur ein Deutscher sein.
Gezielt ging ich auf ihn zu und sprach ihn in unserer Muttersprache an.
Bingo!
Sein Gesicht erhellte sich, erfreut, hier auf einen Landsmann zu stoßen war er zugleich gesprächsbereit. Auch er befand sich auf dem Heimweg seiner Pilgerreise. Allerdings hatte er die Nord-Route den Camino-Primitivo gewählt und berichtete angetan von einsamen Pfaden und abgelegenen Klöstern. Voller Faszination schilderte er mir, wie er eines Abends an der Pforte eines kleinen Klosters geläutet, um ein Nachtlager gebeten hatte und von den Mönchen herzlich aufgenommen wurde.
Naja, jedem das seine!
Ich für meine Person hätte lieber ein Zimmerchen in einem Nonnenkloster bezogen und mein müdes Haupt in das Kopfkissen eines Nonnenbettchens gebettet.
Die letzten Stunden bis zur Abfahrt zogen sich wie Gummi. Der Zug, der mich nach Paris brachte, wurde eine Stunde vor Abfahrt auf einem Nebengleis abgestellt.
Das gleiche Prozedere wie bei der Hinfahrt, die Fahrscheinkontrolle wurde bereits auf dem Bahnsteig vollzogen.
Ich bezog als erster das Abteil eines Liegewagens mit 6 Schlafplätzen, machte es mir bequem im Mitteldeck und wartete gespannt auf die übrigen Fahrgäste, mit denen ich die kommende Nacht das Abteil teilen würde. Von Seiten meiner soeben beendeten Pilgerreise war ich ja schon einiges gewöhnt.
Der Waggon füllte sich in kürzester Zeit und dann füllte sich mit einem Schlag mein Abteil. Zwei spanische Mütter mit drei Kindern im Alter zwischen 6 und 10 Jahren. Alle 5 starrten mich an, als wäre ich ein Außerirdischer.
So schlimm sah ich doch gar nicht aus. Ich hatte heute Morgen frisch geduscht, war rasiert, gekämmt und hatte saubere Klamotten an.
Also was sollte der Scheiß!
Ich grüßte kurz mit einem „Hello“, schloss die Augen und mimte den Schlafenden. Die eine Mutter bekam zugleich einen Lachanfall und verzog sich sofort in das Bett unter mir. Die andere versuchte fast eine ganze Stunde lang die Horde in den Griff zu kriegen, sie zum schlafen zu bewegen und Rücksicht auf den Senior zu nehmen, der mit ihnen das Abteil teilte. Es wurde gekichert und geflüstert. Obwohl ich kein Wort verstand, amüsierte ich mich innerlich und musste mir gelegentlich das Lachen verkneifen.
Nach einer Stunde kehrte weitgehend Ruhe ein, bis auf den 6 jährigen Jungen, der immer noch die Puppen tanzen ließ. Nachdem ihn seine Mutter zum x-ten Male zur Ruhe ermahnt hatte und er immer noch herum feixte, zog die Mutter die Notbremse.
Er erhielt eine schallende Ohrfeige, die in den Abteilen rechts und links neben uns noch sehr gut zu hören war.
Schlagartig war für einen kurzen Augenblick Ruhe im Abteil, bevor das Gefeixe des Jungen in ein leises Wimmern überging.
Wie die meisten Mütter halt so sind, bekam sie ein schlechtes Gewissen, da sie wohl etwas zu viel Schlagkraft in die Ohrfeige gesteckt hatte, stieg zu ihrem Sohn ins Bett und begann ihn zu trösten. Mit Sicherheit versprach sie ihm, morgen ein überdimensional großes Auto zu kaufen.
Kurze Zeit später fiel ich in meinen ersehnten Schlaf.
Gegen 7:00 Uhr erreichte ich den Bahnhof Paris-Austerlitz. Auf dem Bahnsteig stolperte ich nochmals über die „Kaufhoftüte“, wir wechselten noch ein paar kurze Worte bis sich unser Weg endgültig trennte. In 3 Stunden fuhr mein Zug ab Bahnhof Paris-Nord nach Köln. Meine handgefertigte Skizze, die mich vor zwei Wochen sicher vom Bahnhof Nord zum Bahnhof Austerlitz geführt hatte, hatte ich natürlich fortgeschmissen. Ich verlief mich prompt und landete am Bahnhof Ost. Zu meinem Glück waren beide Bahnhöfe nicht weit von einander entfernt, so dass ich nach einem weiteren 20 minütigem Fußmarsch den Bahnhof Paris-Nord erreichte.
Bis zur Weiterfahrt nach Köln blieb mir noch eine knappe Stunde. Auf der Terrasse eines Straßencafés trank ich noch einen Espresso und rauchte eine selbst Gedrehte. Während ich in Gedanken versunken auf das Eingangsportal schaute, das hektische Treiben der Passanten, Reisenden, der Lärm des Großstadtverkehr beobachtete, wurde mir unvermittelt bewusst: Meine Pilgerreise war nun endgültig zum Ende gekommen. Ich zahlte, schnallte ein letztes Mal meinen Rucksack auf und betrat die Bahnhofshalle.
Jetzt freute ich mich, meine Frau wieder in die Arme nehmen zu können und auf das Wiedersehen mit meiner Familie.
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